Dunja Batarilo interview with Dr Tom Goreau was posted in Fluter in April 2016. Read the original here or the translated version below. 

 

Retter der Riffe

Das klimabedingte Korallensterben am Great Barrier Reef vor Australien schreitet voran. Interview mit einem Mann, der sich zutraut, es aufhalten zu können

The climate-related coral extinction at the Great Barrier Reef off Australia is progressing. Interview with a man who dares to stop it

Dunja Batarilo

 

Dem Great Barrier Reef, dem größten Korallenriff der Welt, ging es noch nie so schlecht wie jetzt: Forscher sprechen vom schlimmsten Korallensterben seit Menschengedenken, das sich vor der Nordostküste Australiens abspielt. Bei zu warmen Wassertemperaturen wie in diesem Jahr kommt es zur Korallenbleiche (siehe Infokasten): Erst verlieren die Korallen ihre Farbe, dann sterben sie ab. Es geht um mehr als ein paar bunte Fische: Korallenriffe sind hochkomplexe Ökosysteme; sie beherbergen etwa eine Million Arten und sind in ihrer Vielfalt nur mit tropischen Regenwäldern vergleichbar. Tom Goreau, Gründer und Vorsitzender der „Global Coral Reef Alliance“, baut künstliche Riffe, auf denen Korallen diese Katastrophe überleben können. Im kleinen Maßstab ist seine Biorock®-Methode als Erfolgsmodell seit Jahren anerkannt – er selbst würde damit gern auch das Great Barrier Reef retten.

The Great Barrier Reef, the largest coral reef in the world, has never been as bad as it has been today. Researchers talk about the worst coral deaths since time immemorial, which takes place off the northeast coast of Australia. If the water temperature is too warm like this year, coral bleaching will occur (see info box): First the corals lose their color, then they die. It’s about more than a few colorful fish: coral reefs are highly complex ecosystems; they harbor about one million species and their diversity is comparable only to tropical rainforests. Tom Goreau, founder and chairman of the Global Coral Reef Alliance, builds artificial reefs where corals can survive this catastrophe. On a small scale, his Biorock® method has been recognized as a successful model for many years – he would like to save the Great Barrier Reef with it.

Am Great Barrier Reef vor Australien kommt es zurzeit zu einer beispiellosen „Korallenbleiche“: Durch die globale Erwärmung steigt die Wassertemperatur, weshalb die aus Kalk bestehenden Steinkorallenstöcke die lebenden Organismen abstoßen. Die Korallen sterben (Foto: XL Catlin Seaview Survey) At the Great Barrier Reef off Australia, there is currently an unprecedented “coral bleaching”: global warming raises the water temperature, causing lime stone coral reefs to repel living organisms. The corals die

 

 

fluter.de: Sie haben weltweit bereits über 300 künstliche Korallengärten angelegt. Wie funktioniert das?
fluter.de: You have already created over 300 artificial coral gardens worldwide. How does this work?

 

Tom Goreau: Wir bauen Stahlkonstruktionen, die wir auf dem Meeresgrund verankern und durch die wir schwachen Gleichstrom leiten. Durch den Prozess der Elektrolyse fällen Mineralien aus dem Meerwasser aus – es lagert sich Kalkstein ab, und auf diesem Untergrund siedeln wir Korallen an. Durch die leichte Spannung unterstützen wir sie in ihrem Stoffwechsel, wir nehmen ihnen quasi Arbeit ab. Unsere Korallen wachsen zwei bis zehnmal schneller als andere unter denselben Bedingungen; und sie sind gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen ausgesprochen resilient.

Tom Goreau: We build steel structures that we anchor on the seabed and through which we conduct weak DC. The process of electrolysis precipitates minerals from the seawater – it deposits limestone, and on this subsoil we locate corals. Due to the light tension we support them in their metabolism, we take them from quasi work. Our corals grow two to ten times faster than others under the same conditions; and they are extremely resilient to harmful environmental influences.

 

Resilient – das heißt, diese Korallen sind widerstandsfähiger als andere?
Resilient – that is, these corals are more resistant than others?

 

Genau. Sie können auch unter hohen Temperaturen länger überleben. Wir haben das 1998, während des letzten Super-El-Niños, auf den Malediven dokumentiert: Unsere Korallen blichen zwar aus, aber sie starben nicht. Einfach weil sie gesünder und stärker waren als die Korallen auf den Riffen ringsumher. Auf diese Weise konnten wir sie erhalten, während rundherum alles einging. Die Fische, die die toten Riffe verließen, zogen in unsere Strukturen ein und konnten dort überleben. Indem wir zerstörte Korallenriffe wiederherstellen, tragen wir zum Erhalt der Vielfalt bei. Unsere künstlichen Riffe fungieren als eine Art Arche.

Exactly. You can survive longer even under high temperatures. We documented that in the Maldives in 1998, during the last Super El Niños: our corals were extinct, but they did not die. Simply because they were healthier and stronger than the corals on the reefs all around. That’s how we got it while everything went all around. The fish that left the dead reefs invaded our structures and survived there. By restoring destroyed coral reefs, we help preserve diversity. Our artificial reefs act as a kind of ark.

 

Auf Bali haben Sie auch ein natürliches Riff unter Strom gesetzt, die Korallen dort gedeihen prächtig. Wäre das auch am Great Barrier Reef möglich?
On Bali, you also have a natural reef energized, the corals thrive there magnificently. Would that be possible on the Great Barrier Reef?

 

Technisch gesehen: auf jeden Fall. Wir könnten Tausende von Kilometern von Riff verkabeln –wenn wir das Geld dazu hätten. Viel Strom verbraucht das nicht: Ein Kilometer Stromleitung durch das Riff braucht in etwa so viel Energie wie eine Klimaanlage.

Technically: definitely. We could wire up thousands of miles of reef if we had the money. A lot of electricity is not consumed: one kilometer of power line through the reef needs about as much energy as an air conditioner.

 

Klingt so einfach. Warum wird das nicht gemacht?
Sounds so easy. Why is not this done?

 

Aus politischen Gründen. Ich bin in den letzten zehn Jahren mehrfach von Touranbietern am Great Barrier Reef gebeten worden, ihre Riffe wiederaufzubauen. Diese Leute bringen Tausende von Touristen in ausgewiesene Besucherzonen – und leiden darunter, dass es für ihre schnorchelnden Gäste kaum noch etwas zu sehen gibt. Die Reaktion des Managements des Great Barrier Reef Marine Park war aber: „Auf gar keinen Fall! Unsere Riffe brauchen keine Hilfe.“

Because of political reasons. I’ve been asked several times by tour operators on the Great Barrier Reef to rebuild their reefs over the last decade. These people bring thousands of tourists into designated visitor areas – and suffer from the fact that there is hardly anything left to see for their snorkeling guests. The response of the management of the Great Barrier Reef Marine Park was: “Absolutely not! Our reefs do not need help. “

Mit solchen Stahlkonstruktionen, durch die schwacher Gleichstrom geleitet wird, erzeugt Tom Goreau künstliche Algengärten: Durch Elektrolyse lagert sich Kalkstein ab, auf dem Korallen angesiedelt werden. Die werden durch die leichte Spannung in ihrem Stoffwechsel unterstützt und wachsen so angeblich viel schneller (Marionpinta – Own work) Tom Goreau creates artificial algae gardens using steel constructions through which weak direct current is conducted. Through electrolysis, limestone deposits on which corals are deposited. They are supported by the slight tension in their metabolism and are said to grow much faster

Woher kommt diese Haltung?
Where does this attitude come from?

 

Das war schon immer so. In der Logik der Marine-Park-Manager ist Management an sich schon die Lösung des Problems. Ich halte das für historisch fragwürdig, denn dem Riff geht es kein bisschen besser, seit es gemanagt wird. Am besten erhalten ist es im nördlichsten Drittel, oberhalb von Port Douglas, wo die Manager nicht hinkommen. Es geht ja nicht nur um Korallenbleiche. Invasionen von Dornenkronen-Seesternen haben in den letzten Jahren mehrfach ganze Riffe aufgefressen. Die Leute vom Marine Park haben da so lange zugeschaut, bis es zu spät war, und dann verkündet: „Das war alles ganz natürlich, da können wir leider nichts tun.“

It’s been like that forever. In the logic of marine park managers, management itself is the solution to the problem. I think this is historically questionable, because the reef is not a bit better, since it is managed. It is best preserved in the northernmost third, above Port Douglas, where the managers can not get there. It’s not just about coral bleaching. Invasions of crowns of thorns have eaten whole reefs several times in recent years. The people at Marine Park watched there until it was too late, and then proclaimed, “That was all natural, because unfortunately we can not do anything.”

 

Das Credo des Marine Park ist: Korallenriffe sind resiliente Ökosysteme und in der Lage, sich von selbst zu erholen. Je weniger Einflussnahme von außen, desto besser.
The Credo of Marine Park is: Coral reefs are resilient ecosystems and able to recover by themselves. The less external influence, the better.

 

Das ist auch prinzipiell richtig – jedenfalls war das früher so. In meiner Kindheit auf Jamaika habe ich mehrmals komplett zerstörte Riffe gesehen, wenn ein Schiff aufgelaufen war oder ein Hurrikan zugeschlagen hatte. 20 Jahre später hatten sich diese Riffe vollkommen regeneriert: Der Schaden war begrenzt, und sie waren von gesunden Korallenriffen umgeben. Regeneration funktioniert aber nur in einer Umgebung ohne Stress. Die gibt es heute nicht mehr. Die Tatsache, dass dieses Jahr auch eine derart abgelegene Region wie das nördliche Drittel des Great Barrier Reef so stark zerstört wurde, zeigt ja: Hohe Temperaturen kommen überallhin.

That is also true in principle – at least that was earlier. In my childhood in Jamaica, I have seen several times completely destroyed reefs when a ship had run aground or hit a hurricane. Twenty years later, these reefs had completely recovered: the damage was limited and they were surrounded by healthy coral reefs. Regeneration works only in an environment without stress. They no longer exist today. The fact that even such a remote region as the northern third of the Great Barrier Reef has been so heavily destroyed this year shows that high temperatures are everywhere.

 

Was ist Ihr Rat an die australische Regierung?
What is your advice to the Australian Government?

 

Australien sollte sich dringend darum kümmern, seine Riffe zu restaurieren. Und aufhören, den Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Klimawandel zu leugnen. Das Land ist einer der größten Klimasünder der Welt, und das Great Barrier Reef bezahlt den Preis dafür. Ich habe schon während der großen Korallenbleiche 1998 davor gewarnt, was unweigerlich passieren würde. Wir haben ja die Daten zur Oberflächenwassertemperatur, und wir wissen seit Jahren um diese Probleme. In gewisser Weise war es Pech, dass der jetzige Super-El-Niño erst jetzt kam – sonst hätte die Welt vielleicht früher begriffen, wie dringend dieses Problem ist. Wir können das Aufheizen der Meere nicht mehr aufhalten, aber wir können Korallenriffe dabei unterstützen, das zu überleben.

Australia should urgently take care to restore its reefs. And stop denying the connection between CO2 emissions and climate change. The country is one of the world’s biggest climate sinners and the Great Barrier Reef pays the price. Already during the great coral bleaching in 1998, I warned against what would inevitably happen. We have the surface water temperature data, and we’ve known about these issues for years. In a way, it was unfortunate that the current Super El Niño was just coming – otherwise the world might have realized earlier how urgent this problem is. We can not stop ocean heating, but we can help coral reefs survive.

 

Korallenriffe sichern weltweit den Lebensunterhalt von mindestens 100 Millionen Menschen. Allein am Great Barrier Reef geben Touristen im Jahr über vier Milliarden australische Dollar aus. Warum rüttelt das nicht auf?
Coral reefs secure the livelihood of at least 100 million people worldwide. On the Great Barrier Reef alone, tourists spend over four billion Australian dollars a year. Why does not that shake up?

 

Weil die Korallenriffe uns mit ihren Ressourcen leider kostenlos versorgen. Fischreserven und bunte Unterwasserwelten – der materielle Wert dieser „Dienstleistungen“ wird erst deutlich, wenn er ausbleibt. Ganz zu schweigen vom Küstenschutz. Die Bewohner der kleinen Inselstaaten stehen schon jetzt bis zu den Knöcheln im Wasser, und jeder einzelne Strand dieser Welt wird durch den Klimawandel Schaden nehmen. Aber niemand kümmert sich darum. Die Korallenriffe sind das Erste, was wir verlieren, aber nicht das Letzte.

Because the coral reefs provide us with their resources, unfortunately, free of charge. Fish reserves and colorful underwater worlds – the material value of these “services” becomes clear only when it fails. Not to mention coastal protection. The inhabitants of the small island states are already up to their ankles in the water, and every single beach in the world will be damaged by climate change. But no one cares. The coral reefs are the first thing we lose, but not the last.

 

Der Biochemiker und Meeresbiologe Tom Goreau wurde auf Jamaika geboren und erkundete dort schon mit seinen Eltern Korallenriffe. Heute erforscht er den Einfluss der globalen Klimaveränderung und der Verschmutzung der Meere auf Korallenriffe, die als Biotop eine wichtige Brutstätte für viele Meeresbewohner sind. Goreau setzt sich für die Wiederherstellung kranker oder abgestorbener Korallenriffe ein und hat eine Methode zur Erzeugung künstlicher Korallenriffe entwickelt.

Biochemist and marine biologist Tom Goreau was born in Jamaica and explored coral reefs there with his parents. Today, he explores the impact of global climate change and marine pollution on coral reefs, which are an important breeding ground for many sea creatures. Goreau is committed to recovering diseased or dead coral reefs and has developed a method for creating artificial coral reefs.

 
Was bedeutet „Korallenbleiche“? 
What does “coral bleaching” mean?

Korallen funktionieren als Wohngemeinschaft. Einzellige Algen (Zooxanthellen) nisten sich im Skelett des Korallenpolypen ein. Der Deal: Schutz gegen Energie. Die Alge betreibt Fotosynthese und ernährt die Koralle, durch sie entsteht auch die typisch bunte Farbe. Wird das Wasser zu warm, gerät die Koralle unter Stress und stößt ihre Zooxanthellen aus. Dadurch verliert die Koralle ihre Farbe und bleibt als bleiches Skelett zurück. Kühlt das Wasser wieder ab, zieht die Alge wieder ein. Einige Wochen lang kann der Korallenpolyp ohne seine Alge überleben; bleibt das Wasser aber über einen längeren Zeitraum zu warm, stirbt er den Hungertod. Momentan ist die Lage besonders kritisch, denn 2016 ist ein El-Niño-Jahr: Im Verlauf dieses zyklisch alle paar Jahre auftretenden Klimaphänomens erwärmt sich das Oberflächenwasser im tropischen Pazifik stellenweise um bis zu sechs Grad. Bereits jetzt sind 50 Prozent aller Korallenriffe weltweit betroffen – im Jahr 2050 könnten mehr als 95 Prozent aller Korallen schwer geschädigt oder abgestorben sein.

Corals work as a shared flat. Unicellular algae (Zooxanthellae) nest in the skeleton of the coral polyp. The deal: protection against energy. The alga operates photosynthesis and nourishes the coral, which also creates the typical colorful color. If the water gets too warm, the coral gets stressed and releases its zooxanthellae. As a result, the coral loses its color and remains as a pale skeleton. If the water cools down again, the algae retracts. For a few weeks, the coral polyp can survive without its algae; but if the water stays too warm for a long time, it dies of starvation. Currently, the situation is particularly critical, because 2016 is an El Niño year: In the course of this cycle phenomenon, which occurs cyclically every few years, the surface water in the tropical Pacific warms up in places by up to six degrees. Already, 50 percent of coral reefs worldwide are affected – by 2050, more than 95 percent of coral reefs could be severely damaged or dead.